Zusammenfassung Klostermedizin

Klosterkliniken gibt es auch heute noch. Freilich sind sie völlig anders organisiert als zu den Zeiten der Hildegard von Bingen. Das Kloster steht als abgeschlossene Einheit neben dem nach modernen Gesichtspunkten laufenden Klinikbetrieb. In der Leitung der Klinik ist der Orden zwar federführend, allerdings eingebunden in weltliche Strukturen. Neben den Ordensangehörigen arbeiten überwiegend weltliche Teams in der Pflege und im ärztlichen Dienst.
Die traditionelle Klostermedizin hat für die Naturheilkunde immer noch große Bedeutung. Gerade die Phytomedizin mit ihrem umfangreichen Wissen über Heilpflanzen wäre ohne die Klosterheilkunde gar nicht denkbar. Ungefähr 500 Arten von Heilpflanzen kennt die Klostermedizin. Rund 150 dieser Pflanzen wachsen heute noch auf den Feldern und erreichen die Patienten als Tees, Salben, Tinkturen und Extrakte. Die anderen 350 Gewächse spielen derzeit in der Praxis keine Rolle. Das liegt wohl daran, dass die Säkularisierung zu einem Einbruch in der Tradition der Klostermedizin geführt hatte. Aber im Grunde warten die vergessenen Kräuter, Stauden und Bäume ja nur auf ihre Wiederentdeckung. In den alten Werken der Klosterheilkunde sind sie schließlich verzeichnet und können aus botanischen Gärten oder der Wildnis entnommen und dem Feldanbau zugeführt werden. Seit einigen Jahren widmet sich ein Projekt der Universität Würzburg dem Thema. Ziel ist es, die Wirkung der Heilpflanzen zu erforschen und die Ergebnisse an die Naturheilkunde und die Schulmedizin zu vermitteln. Dabei wollen die Würzburger Wissenschaftler freilich auch Irrtümer aufdecken und korrigieren.
Einige europäische Klöster sind heute noch Produzenten von medizinischen Pflanzenpräparaten. Insgesamt bedienen sie aber nur einen kleinen Teil des Marktes für pflanzliche Medikamente. Allerdings hat wohl jedes Benediktinerkloster einen Nutzgarten, in dem selbstverständlich auch Heilkräuter wachsen. Oft deckt der Ertrag nur den Eigenbedarf der Nonnen und Mönche. In einigen Klöstern können Gäste aber auch Kostproben der Zubereitungen im angegliederten Laden erwerben.
Die aktuell ungenutzten Ressourcen der Klosterheilkunde zu reaktivieren ist zwar eine immense Herausforderung, die viel Fleiß erfordert. Trotzdem ist der Blick der Ordinierten nicht nur in die Vergangenheit gerichtet. Denn die Klosterheilkunde ist auch heute noch im innovativen Wandel begriffen, so wie es auch die Altvorderen immer hielten. Längst haben europäische christliche Klöster die fernöstlichen Philosophien und auch deren Heilwissen entdeckt. So propagieren Vertreter der Klosterheilkunde heute auch die traditionelle chinesische Medizin. Desgleichen haben westliche Klöster die altindische Heilkunst Ayurveda aufgegriffen. Auch die Lehre vom Ying und Yang als Gleichgewicht zweier Kräfte in Harmonie fiel in den Ordensgemeinschaften auf fruchtbaren Boden. Im Widerspruch zu den christlichen Lehren und der Klostermedizin stehen die fernöstlichen Überlieferungen nicht. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn die Übereinstimmungen sind zum Teil ganz erstaunlich. So sind die Lehren Benedikts zur Gesunderhaltung durch Lebensführung und Ernährung mit den Erkenntnissen des Ayurveda fast identisch. Beide Ansätze enthalten die Forderung nach einfacher Ernährung mit wenig Fleisch und eine allgenmeine Mäßigung der Nahrungsaufnahme. Auch das ganzheitliche Denken ist oberstes Prinzip der Klostermedizin einerseits und den übernommenen asiatischen Strömungen andererseits. „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) ist die Bestimmung aus den Ordensregularien, in der dieses ganzheitliche Denken zum Ausdruck kommt. Gebet, Einkehr und Meditation begleiten ein gesundes Leben ebenso wie körperliche Aktivität, die in einer sinngebenden Tagesstruktur eingebettet ist.